Wen schützt das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht? – Empfiehlt sich eine Neuausrichtung seines Anwendungsbereichs?

Das Thema „Wen schützt das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht – empfiehlt sich eine Neuausrichtung seines Anwendungsbereichs?“ behandelt eine der Grundfragen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, welche Personengruppe soll hierdurch aus welchen Gründen vor welchen Umständen geschützt werden? Der persönliche Anwendungsbereich des Arbeitsrechts und des Sozialversicherungsrecht wird durch den Begriff des Arbeitsvertrags bzw. des Arbeitsverhältnisses bestimmt, und damit letztlich durch den Begriff des Arbeitnehmers.

Die deshalb notwendige Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen war nie ganz einfach. Die Rechtsprechung konnte aber wegen der zumeist ortsgebundenen Tätigkeit an die Einbindung in eine Organisation und die Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers anknüpfen und einen typologischen Zugriff erarbeiten. Tatsächliche Entwicklungen – digitale Arbeitswelt, Zunahme von Wissensarbeit und Plattformarbeit und damit verknüpfter Trend zu mobiler Arbeit – erschweren dies zunehmend. In vielen Berufen kann ortsungebunden gearbeitet werden, weil die Arbeit mit Hilfe von Kommunikations- und Informationstechnologie erbracht wird, über welche die Arbeitnehmer verfügen, so dass sie von sich aus – autonom – arbeiten können.

Ferner ist zu konstatieren, dass die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte bei der Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers trotz inhaltsgleicher normativer Grundlagen (§ 611a Abs. 1 BGB und § 7 Abs. 1 SGB IV) in Nuancen etwas auseinander läuft. Außerdem kann darüber nachgedacht werden, ob über bereits bestehende Ansätze – etwa § 25a Abs. 5a KWG oder § 18 Abs. 1 ArbZG – hinaus abgestufte Schutzkonzepte für einzelne Rechtsgebiete und/oder Personengruppen entwickelt werden sollten. Hierbei wäre auch zu hinterfragen, ob und inwieweit das in Deutschland herrschende Modell einer Dreiteilung der Erwerbstätigkeit – Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen und Selbständige – noch zeitgemäß ist. Einbezogen werden muss ferner das für die Praxis wichtige Feststellungsverfahren nach §7a SGB IV sowie die Frage, inwieweit es gelingen kann, die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit besser zu verzahnen.

Prof. Dr. Christian Rolfs, Köln (Gutachter)

Der Gutachter, Professor Dr. Christian Rolfs, ist Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln. Er hat in Mainz Rechtswissenschaften studiert, wurde in Köln mit einer Arbeit zur Haftung unter Arbeitskollegen promoviert und an der FernUniversität Hagen mit einer Schrift über das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht habilitiert. Von 2001 bis 2009 lehrte er an der Universität Bielefeld. 2009 folgte er einem Ruf an die Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Arbeits-, Sozial- und privaten Versicherungsrecht.

Prof. Dr. Georg Annuß, LL.M., München/Regensburg (Referent)

Prof. Dr. Georg Annuß, LL. M., ist Rechtsanwalt in München und außerplanmäßiger Professor für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Regensburg. Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Bayreuth und Regensburg. 1. Staatsexamen 1993, 2. Staatsexamen 1995. 1996 sowie 1999 bis 2003 Wissenschaftlicher Assistent von Prof. Dr. Reinhard Richardi. Seit 1996 Rechtsanwalt, zunächst in Düsseldorf und seit 2004 in München. Habilitation 2003 an der Universität Regensburg.

Richterin am BSG Barbara Geiger, Kassel (Referentin)

Barbara Geiger studierte Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg mit einem Auslandstrimester an der University of Oxford. Nach den juristischen Staatsexamina arbeitete sie zunächst als Rechtsanwältin in einer international tätigen Wirtschaftskanzlei, bevor sie in die Sozialgerichtsbarkeit eintrat. Nach Abordnungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht wurde sie 2021 zur Richterin am Landessozialgericht Hamburg ernannt. Im April 2022 wurde sie zur Richterin am Bundessozialgericht ernannt und zunächst dem für gesetzliche Krankenversicherung zuständigen 1. Senat zugewiesen. Seit Januar 2024 ist sie Mitglied des für das Beitrags- und Mitgliedschaftsrecht der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zuständigen 12. Senats.

Prof. Dr. Eva Kocher, Frankfurt (Oder) (Referentin)

Eva Kocher studierte 1985 bis 1990 Rechtswissenschaft in Tübingen und Hamburg (Erstes Juristisches Staatsexamen 1990, Zweites Juristisches Staatsexamen 1994, beide OLG Hamburg). 1993 wurde sie an der Universität Hamburg mit einer Arbeit zu § 112 BetrVG promoviert. Nach einer Tätigkeit als Wissenschaftliche Assistentin für Zivil- und Arbeitsrecht an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) habilitierte sie sich 2004 mit einem rechtssoziologisch angelegten Vergleich der Verbraucherprozessrechte Deutschlands und Englands. Seit 2009 ist sie Professorin für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Arbeitsrecht sowie Zivilverfahrensrecht an der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und leitet dort das Center for Interdisciplinary Labour Law Studies (Dekanin 2014-2018, Vizepräsidentin für Lehre und Studium 2018-2023, geschäftsführende Präsidentin WiSe 2022/23). Sie hat 2022 eine englisch-sprachige Monographie zu „Digital Work Platforms“ veröffentlicht (Bloomsbury).

Prof. Dr. Martin Franzen, München (Vorsitzender)

Geboren in Karlsruhe. Studium der Rechtswissenschaft, Politischen Wissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Heidelberg (1983-1985) und Berlin (1985-1988). 1. Juristisches Staatsexamen 1988, 2. Juristisches Staatsexamen 1991, beide in Berlin. 1991 bis 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin am Lehrstuhl von Dieter Heckelmann.

Promotion (1993) und Habilitation (1999) an der Freien Universität Berlin. 1999 – 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Konstanz. Seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für deutsches, europäisches, internationales Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Universität München.

Mitglied des Verbandsausschusses des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes (seit 2008) und Mitherausgeber der Europäischen Zeitschrift für Arbeitsrecht (EuZA).

Dekan der Juristischen Fakultät (ab 01.10.2015)

Rechtsanwältin Dr. Susanne Clemenz, Gütersloh (Stv. Vorsitzende)

Studium und Referendariat in Bielefeld. Seit August 1990 als Rechtsanwältin, seit 1993 als Fachanwältin für Arbeitsrecht bundesweit tätig. 1995 Promotion bei Prof. Dr. Hanns Prütting, Köln. Partnerin der Arbeitsrechtsboutique TSC Fachanwälte für Arbeitsrecht. Tätigkeitsschwerpunkte: Beratung und Vertretung von Unternehmen, Organmitgliedern (Vorstände/ Geschäftsführer, Aufsichts- und Beiräte) und Führungskräften in allen Belangen des Arbeitsrechts. Mitglied des Ausschuss Arbeitsrecht im DAV, des Verbandsausschuss des DArbGV, des Vorstands der deutschen Sektion der IGRASS, der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft für Arbeitsrecht. Mitherausgeberin der NZA, Mit-herausgeberin AGB Arbeitsrechtkommentar, Autorin zahlreicher Literaturbeiträge und umfangreiche Vortragstätigkeit.

Präsident des BSG a.D. Prof. Dr. Rainer Schlegel, Berlin/Gießen (Stv. Vorsitzender)

Rainer Schlegel trat 1987 in die Sozialgerichtsbarkeit ein. 1997 wurde er zum Richter, 2008 zum Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht ernannt. Von 2010 bis Ende 2013 war er Leiter der Abteilung Arbeitsrecht und Arbeitsschutz im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Nach Rückkehr an das Bundessozialgericht wurde er im Juli 2014 dessen Vizepräsident.Mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 wurde Rainer Schlegel zum Präsidenten des Bundessozialgerichts ernannt. Im Februar 2024 ist er in den Ruhestand eingetreten. Er ist Honorarprofessor an der Justus-Liebig- Universität Gießen und Vorsitzender des Deutschen Sozialrechtsverbandes.

Seine Themen sind u.a. Fragen zu den Grundlagen sozialer Sicherheit, ihre wirtschaftlichen, rechtlichen sowie gesellschaftlichen Voraussetzungen, zu Solidarität in der Gesellschaft und der Umgang des Staates mit seinen Bürgern.

Gutachter

Prof. Dr. Christian Rolfs, Köln

Referentinnen und Referenten

Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Annuß, LL.M., München/Regensburg

Richterin am BSG Barbara Geiger, Kassel

Prof. Dr. Eva Kocher, Frankfurt (Oder)

Vorsitzender

Prof. Dr. Martin Franzen, München

Stv. Vorsitzende

Rechtsanwätlin Dr. Susanne Clemenz, Gütersloh

Präsident des BSG a.D. Prof. Dr. Rainer Schlegel, Berlin/Gießen

Schriftführer

Richter am SG Dr. Christian Roth, Landshut

Referate

Mittwoch, 25. September
10:30 bis 11:45 Uhr

Diskussion

Mittwoch, 25. September
14:15 bis 15:30 Uhr
Donnerstag, 26. September
9:30 bis 13:00 Uhr

Diskussion und Beschlussfassung

Donnerstag, 26. September
14:00 bis 18:00 Uhr