Entscheidungen digitaler autonomer Systeme: Empfehlen sich Regelungen zu Verantwortung und Haftung?

Die Abteilung Zivilrecht des 73. Deutschen Juristentages widmet sich der Verantwortung für digitale autonome Systeme und damit einem wichtigen Teilaspekt der digitalen Revolution. Die Verbindung von Software und Maschine verleiht der Robotik die Macht zur physischen Verletzung von Körper und Eigentum. Maschinenlernen und Künstliche Intelligenz beenden das Monopol des Menschen auf rationale Entscheidungen unter Unsicherheitsbedingungen. Ein anschauliches Beispiel sind selbstfahrende Autos: Diese werden den Straßenverkehr revolutionieren und das etablierte Gebäude aus Halterhaftung, Pflichtversicherung und Direktanspruch ins Wanken bringen.

Vor dem Hintergrund dieser technologischen Entwicklungen geht die Abteilung dem Bedarf nach neuen Haftungsregeln nach. Dies gilt für die Wahl der Haftungssubjekte, für die Voraussetzungen der Haftung wie auch für ihre versicherungsmäßige Deckung. Die digitale Transformation wird Haftungslasten vom Nutzer zum Hersteller verschieben. Ist das geltende Produkthaftungsrecht darauf hinreichend vorbereitet? Haften Softwareprogrammierer als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes? Unter welchen Voraussetzungen ist ein autonomes digitales System als fehlerhaft zu qualifizieren? Bedarf es einer Revision der Produkthaftungs-Richtlinie, die gegenwärtig in Brüssel erwogen wird?

Möglicherweise empfiehlt es sich, die haftungsrechtliche Verantwortung auf andere Akteure als den Hersteller zu erstrecken. Denkbare Kandidaten sind die Trainer lernender Systeme sowie die Lieferanten von Daten. Im Fokus der europäischen Gesetzesinitiative stehen die Nutzer künstlicher Intelligenz. Das Europäische Parlament hat bereits vorgeschlagen, eine Gefährdungshaftung zu Lasten der Betreiber von Hochrisikosystemen einzuführen. Ein in diese Richtung zielender Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission ist noch in diesem Jahr zu erwarten. Mitunter wird sogar erwogen, den Roboter – also das intelligente digitale System selbst – zum Rechtssubjekt zu erheben und einer solchen ePerson die von ihr verursachten Schäden zuzurechnen.

Schließlich stellt sich die Frage nach der versicherungsmäßigen Deckung. Es gilt zu prüfen, ob die herkömmlichen Versicherungssysteme dafür gerüstet sind, die mit der aktuellen technologischen Revolution verbundenen neuen Haftungsrisiken abzudecken. Denn eines ist gewiss: Die vor der Einführung stehenden digitalen Systeme versprechen zwar einen großen Sicherheitsgewinn, doch Unfälle wird es auch in der digitalen Zukunft noch geben.

Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL.M., Berlin (Vorsitzender)

Ist Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Ökonomik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde 1989 von der Universität Göttingen promoviert und dort 1997 habilitiert. Im Jahre 1995 erwarb er den Grad eines LL.M. von der University of Chicago Law School. Von 1999-2013 war Wagner Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Zivilprozessrecht sowie Konfliktmanagement an der Universität Bonn, 2003 Visiting Fellow am University College, London, und 2010/2011 Visiting Professor of Law, University of Chicago Law School. Er ist Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Zivilrechtslehrervereinigung und des Vorstands der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, Mitglied des European Law Institute und korrespondierendes Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Er ist Mitherausgeber des Archiv für die civilistische Praxis und der Zeitschrift für Europäisches Privatrecht.

Prof. Dr. Beate Gsell, Richterin am OLG, München (Stv. Vorsitzende)

Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Europäisches Privat- und Verfahrensrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Geschäftsführende Direktorin des Munich Center for Dispute Resolution, Mitglied des 14. Zivilsenats des OLG München (1/6-Stelle), 1997 Promotion (Tübingen), 2001 Habilitation (Bonn), 2002-2003 Professur für Bürgerliches Recht und Nebengebiete an der LMU München, 2003-2011 Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Europäisches Privatrecht und Internationales Privatrecht an der Universität Augsburg, Mitglied des Fachbeirats des Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law, Gesamtmitherausgeberin des BeckOGK (beck-online.GROSSKOMMENTAR) zum Zivilrecht, Mitherausgeberin der ZfPW (Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft) und der ZJS (Zeitschrift für das Juristische Studium).

Rechtsanwalt Dr. Rainer Klocke, Köln (Stv. Vorsitzender)

geboren 1954 in Paderborn; verheiratet, drei Kinder; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln; 1981 erstes, 1984 zweites Staatsexamen nach der Referendarzeit in Köln; 1985 Promotion; 1984 Beginn der anwaltlichen Tätigkeit in Köln, seit 1988 selbstständig in der Kanzlei Klocke & Linkens in Köln; Fachanwalt für Versicherungsrecht; weitere Schwerpunkte: Handelsrecht und internationale Vertriebsverträge; 1997 bis 2007 Vorstandsmitglied des Kölner Anwaltverein e.V., 1998 bis 2007 1. Vorsitzender des Kölner Anwaltverein e.V.; seit 1999 Vorstandsmitglied der Kölner Juristischen Gesellschaft e.V.; 1999 bis 2011 Mitglied der Satzungsversammlung; seit 2000 Vorstandsmitglied des Fördervereins Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln; 2006 bis 2009 Mitglied des Beirats des Soldan Instituts für Anwaltsmanagement e.V., seit 2009 dessen stellvertretender Vorsitzender.

Prof. Dr. Herbert Zech, Berlin (Gutachter)

Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und München (1994-1999); Juristischer Vorbereitungsdienst in München (1999-2001); Rechtsanwalt in München (2002-2003); Promotion in Konstanz (2003); Studium der Biologie in Kaiserslautern (2003-2007); Akademischer Rat auf Zeit und Habilitation an der Universität Bayreuth (2007-2012); Extraordinarius für Bürgerliches Recht mit Schwerpunkt Life Sciences-Recht an der Universität Basel (2012-2014); Professor für Life-Sciences-Recht und Immaterialgüterrecht an der Universität Basel (2014-2019); seit 2019 Professor für Bürgerliches Recht, Technik- und IT-Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Direktor am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft

Prof. Dr. Ina Ebert, München/Kiel (Referentin)


Ina Ebert ist Leitende Fachexpertin für Haftung und Versicherungsrecht im Bereich Globale Kunden von Munich Re. Daneben ist sie seit 2007 außerplanmäßige Professorin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Mitglied des Wissenschaftlich-Technischen Beirats des Instituts für Robot Recht an der Universität Würzburg und Vice-Chairwoman des Supervisory Boards des European Centre for Tort and Insurance Law (Ectil) in Wien. Zuvor Studium an der FU Berlin (Erstes Juristisches Staatsexamen 1988), wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Friedrich Ebel an der FU Berlin, Referendariat in Berlin (Zweites Juristisches Staatsexamen 1991), Promotion zum Dr. iur. an der FU Berlin (1995), wissenschaftliche Assistentin bei Prof. Dr. Jörn Eckert an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Habilitation an der CAU Kiel (2002), Lehrtätigkeit an den Universitäten Heidelberg, Erlangen, Kiel und Tübingen.

Vorstandsmitglied Rechtsanwältin Renata Jungo Brüngger, LL.M., Stuttgart (Referentin)

Renata Jungo Brüngger ist seit dem 1. Januar 2016 Vorstandsmitglied der Daimler AG und in dieser Funktion verantwortlich für das Ressort Integrität und Recht. Sie ist außerdem Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz AG.

Der Vorstandsbereich schützt Daimler und seine Marken und steuert die konzernweite Rechts- sowie Compliance-Organisation. Er verantwortet die nachhaltige Verankerung einer integren Unternehmenskultur bei Daimler. Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility und Datenschutz sind weitere Themenfelder des Ressorts, zu dem auch Corporate Audit gehört.

Renata Jungo Brüngger wurde am 7. August 1961 in Fribourg, Schweiz, geboren. Nach Abschluss eines zweisprachigen Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg/Schweiz im Jahr 1985 erlangte sie 1989 das Anwaltspatent. Sie schloss 1998 berufsbegleitend ein Zusatzstudium an der Universität Zürich mit dem Master of Laws (LL.M.) im internationalen Handelsrecht mit den Schwerpunkten Immaterialgüterrecht sowie Technologie- und Informationsrecht ab. Im Jahr 2011 trat Renata Jungo Brüngger als Leiterin des Bereichs Legal in die Daimler AG ein.

Bisherige Positionen:
Executive Vice President, Leiterin Legal, Daimler AG, 2011 General Counsel Corporate EMEA und Vice President/General Counsel Emerson Process Management EMEA, Emerson Electric, Schweiz, 2000 Bereichsleiterin im Rechtsbereich, Metro Holding AG, Schweiz, 1995 Rechtsanwältin, Bär & Karrer, Schweiz, 1990

Prof. Dr. Thomas Riehm, Passau (Referent)

Thomas Riehm ist seit 2013 Professor für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Zivilverfahrensrecht und Rechtstheorie an der Universität Passau. Zuvor hatte er an der Philipps-Universität Marburg einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsvergleichung Europäisches Privatrecht und Zivilverfahrensrecht inne. Seine Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkte bilden das gesamte Vertrags- und Haftungsrecht (insbesondere im Hinblick auf neue Technologien) und das Zivilverfahrensrecht (insbesondere Schiedsgerichtsbarkeit und alternative Streitbeilegung).

Nach Studium in München promovierte er 2006 ebendort bei Claus-Wilhelm Canaris mit einer Arbeit im Schnittfeld von Rechtstheorie und Zivilprozessrecht. Mach einer zweijährigen Auslandsdozentur in Paris habilitierte er sich wiederum in München bei Claus-Wilhelm Canaris zu einem schuldrechtlichen Thema. 2018 wurde ihm der Ars legendi Fakultätenpreis Rechtswissenschaft verliehen. Von 2018 bis 2020 war er stellvertretender Leiter eines Verbundforschungsprojekts des BSI zum IT-Sicherheitsrecht.

Thomas Riehm ist Autor verschiedener Lehrbücher zum Vertrags- und Haftungsrecht, kommentiert zentrale Vorschriften des Leistungsstörungsrechts im BeckOGK BGB und Mitautor von Rechtshandbüchern zu Smart Contracts sowie zu Künstlicher Intelligenz und Machine Learning.

Vorsitzender

Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL. M., Berlin

Stv. Vorsitzende

Prof. Dr. Beate Gsell, Richterin am OLG, München

Rechtsanwalt Dr. Rainer Klocke, Köln

Schriftführer

Wiss. Mit. Dr. Sven Asmussen, Berlin

Gutachter

Prof. Dr. Herbert Zech, Berlin

Referenten

Prof. Dr. Ina Ebert, München/Kiel

Vorstandsmitglied Rechtsanwältin Renata Jungo Brüngger, LL.M., Stuttgart

Prof. Dr. Thomas Riehm, Passau

Referate

Mittwoch, 21. September
10:30 bis 11:45 Uhr

Diskussion

Mittwoch, 21. September
14:15 bis 15:30 Uhr
Donnerstag, 22. September
9:30 bis 13:00 Uhr

Diskussion und Beschlussfassung

Donnerstag, 22. September
14:00 bis 18:00 Uhr